Zu Beginn des 19. Jahrhunderts versuchten die europäischen Fürsten und Staatsmänner, diesem Erdteil eine neue, staatliche Ordnung und einen dauerhaften Frieden zu geben. Nach jahrelangen Kriegen und großer Instabilität sehnten sich die Menschen nach Ruhe und Frieden.
Diese Neuordnung Europas sollte auf dem Wiener Kongress 1814/15 erfolgen. Das deutsche Volk hoffte vor allen Dingen auch, dass nun die Einheit Deutschlands geschaffen würde. In den Freiheitskriegen hatten u.a. auch deutsche Studenten gegen Napoleon mitgekämpft, um diese nationale Einheit und persönliche Freiheit zu erreichen. Zur großen Enttäuschung der Deutschen blieb es nach dem Wiener Kongress aber bei der Zersplitterung Deutschlands.
Die Menschen waren aber nicht nur enttäuscht wegen der politischen Zustände. Missernten, Arbeitslosigkeit und Teuerungen steigerten die Not und damit wuchs die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Als Folge kam es vielerorts zu Unruhen, Demonstrationen, Ausschreitungen und Plünderungen. Liberale protestierende oder aufständische Bürger forderten die Volksbewaffnung und die Pressfreiheit. Die Volksbewaffung besaß im Königreich Württemberg eine weit zurückreichende Tradition. Überall im Land wurden zu verschiedenen Zeiten Stadtgarden, Bürgermilizen, Schützengesellschaften oder Reiterkorps gegründet, um im Kriegsfalle oder bei sonstiger Bedrohung das Land, ihre Heimat, schützen zu können.
Die Sicherheit und der Frieden in der Heimat schien aufs äußerste bedroht, als sich im März 1848 überall in Baden und Württemberg die Nachricht verbreitete, mehrere tausend Franzosen hätten den Rhein überschritten und planten einen Einfall. Dieses Gerücht sorgte unter den Menschen für große Aufregung und Ängste.
Auch die Gemeinde Waldburg blieb davon nicht verschont, so dass sich das zuständige Bezirksamt in Wolfegg veranlasst sah in 2 hintereinander folgenden Schreiben die untergeordneten Gemeinden aufzufordern gegen Mob und Freischärler sich zu bewaffnen.
Mit der Ausführung dieser Anordnung wurde die Bürgerwehr Waldburg aufgestellt. Zum Hauptmann und Befehlshaber der rund 200 Wehrmänner wurde Josef Pfau aus Feld gewählt. P.S. Der derzeitige Hauptmann der Bürgerwehr Waldburg, Erhard Kiebele, ist im selben Haus in Feld aufgewachsen, in dem damals Josef Pfau wohnte.
Es ist unwahrscheinlich, dass die Bürgerwehr Waldburg jemals zu einem Kampfeinsatz kam. Jedenfalls konnten dafür keine schriftlichen Aufzeichnungen gefunden werden. Fest steht aber, dass sich im Mai 1848 in Waldburg ein freiwilliges Bürgerwehrkorps bildete. Dieses Korps kaufte im September 1848 von der Stadt Ravensburg 80 Gewehre, 80 Säbel sowie 80 Patronentaschen. Nachdem die ursprünglichen Aufgaben – Landesverteidigung, Schutz von Hab und Gut, Bewahrung von Ruhe und Ordnung – entfallen waren, übernahm die Bürgerwehr Waldburg, wie auch andere Wehren Repräsentativaufgaben. Die Bürgerwehr – Bürgermilitär genannt – wirkt mit bei kirchlichen und weltlichen Festen und Feiern.
Zu Fest und Feier gehört Musik. Schon seit 1838 besteht in Waldburg eine Musikkapelle und so war es naheliegend, dass diese mit dem Bürgermilitär gemeinsam auftrat. Später wurde sie zu einem festen Bestandteil der Wehr. Ein Spielmannszug gliederte sich an. Die kirchlichen Feste Fronleichnam und das Romulafest sind ohne Beteiligung der Bürgerwehr nicht denkbar. Erwähnenswert auch die Auftritte der Bürgerwehr Waldburg bei Familienfeiern der Fürstenhäuser Waldburg-Wolfegg-Waldsee und Waldburg-Zeil.
Der Musikzug der Wehr, d. h. der Spielmannszug und die Musikkapelle sind außerdem beim jährlichen historischen Rutenfest-Umzug in Ravensburg dabei, ebenso beim Blutritt in Weingarten als Begleitung zur Blutreitergruppe Waldburg-Hannober.
Der Musikzug entschied einmal in den 60er Jahren bei tropischen Temperaturen nicht in der traditionellen Bürgerwehruniform, sondern im lockeren, legeren weißen Hemd und Musikerkappe bei Rutenfest-Umzug teilzunehmen. Dies hatte jedoch der Rutenfestkommission überhaupt nicht gefallen. Der Rutenfestzug ist ein historischer Umzug und deshalb sollte der Musikzug auch in ihrer traditionellen Uniform teilnehmen so wie man die Bürgerwehr Waldburg sehen will.
Das 50 jährige Jubiläum des Bürgermilitärs am 24. Juli 1898 war ein echter Höhepunkt in der Geschichte der Bürgerwehr. Der Chronist schilderte diesen Tag ausführlich und schrieb u.a. von einem „ungeheuren Zulauf“. Es seien, sagen die Alten – seit 1848 bei der großen Volksversammlung am Schlossberg nie mehr so viele Leute in Waldburg gewesen.
Zum großen Bedauern der Bürgerwehr und der ganzen Gemeinde Waldburg konnte das 100jährige Jubiläum der Wehr im Jahre 1948 nicht wie geplant gefeiert werden. Die Auflagen der damaligen französischen Besatzungsmacht verhinderten ein großes Jubiläumsfest. Doch 4 Jahre danach vom 5. – 6. Juni 1952 fand die 100 Jahr-Feier mit einem Landestreffen der Bürgerwehren aus Württemberg – Hohenzollern statt. Höhepunkt des Jubiläums war natürlich der Festzug, bei dem neben den Gastwehren auch mehrere Festwagen mit historischen Motiven die zahlreichen Zuschauer erfreute.
Als ein Meilenstein in der Geschichte der Bürgerwehr Waldburg darf die Fahnenweihe vom 15. bis 17. August 1980 bezeichnet werden. Zahlreiche Gastwehren und Stadtgarden nahmen teil an diesem denkwürdigen Fest. Beim feierlichen Feldgottesdienst brachte Hauptmann Anton Högerle – von dem auch der Entwurf für die neue Fahne stammt ,den Willen der Bürgerwehr zum Ausdruck, auch in Zukunft diese alte Waldburger Tradition weiter zu pflegen.
Im Jahre 1991 endete die Ära Hauptmann Anton Högerle. 36 Jahre lang befehligteer als Hauptmann die Bürgerwehr Waldburg. Für seine großen Verdienste wurde erzum Ehrenhauptmann ernannt. Zu seinem Nachfolger wählte die Bürgerwehr Hauptmann Anton Huber. Unter seiner Regie und mit viel Unterstützung wurde die Habnit-Kapelle erbaut. Dieses „besondere Denkmal“ konnte 1997 eingeweiht werden.
Mit der Bewerbung und Durchführung der Kritikspiele der Spielmannszüge des Landesverbandes schuf die Bürgerwehr Waldburg die Voraussetzung für die glanzvollen Jubiläumsveranstaltungen vom 5.- 8.Juni 1998. Ein Festbankett eröffnete die Festtage. Dabei beehrten uns hohe Gäste aus Politik und den Fürstenhäusern Waldburg-Wolfegg-Waldsee und Waldburg-Zeil mit ihrer Anwesenheit. Der Festvortrag von Frau Sonja-Maria Bauer über die Entstehung der württembergischen Bürgerwehren in der Revolution von 1848/49 fesselte die interessierten Zuhörer. Am Sonntag zelebrierte Weihbischof Bernhard Rieger die Feldmesse am Fuße der Waldburg mit den zahlreich anwesenden Gastwehren und Gläubigen. Beim Höhepunkt der Jubiläumstage – dem Festzug – beherrschten die Bürger im Bunten Rock die Dorfstraßen von Waldburg. Die vielen Zuschauer waren begeistert vom farbenprächtigen, äußerst diszipliniertem Auftreten aller Bürgerwehren und Stadtgarden. Das 150jährige Jubiläum bleibt nicht nur für Waldburgs Bürgerwehr, sondern sicherlich auch für alle Festteilnehmer ein unvergessliches Erlebnis. Die tatkräftige Unterstützung der Vereine und die Gastfreundlichkeit der Bevölkerung brachten die tiefe Verwurzelung der alten Tradition in unserer Gemeinde zum Ausdruck.
Bei öffentlichen Auftritten sorgt die Bürgerwehr Waldburg mit ihren drei Formationen Spielmannszug, Musikkapelle und Grenadiere – der imponierenden Stärke von ca. 100 Mann immer wieder Aufmerksamkeit. Die schmucken Uniformen, das disziplinierte Auftreten und nicht zuletzt das „klingende Spiel“ von Spielmannszug und Musikkapelle tragen wesentlich zu dieser Wirkung bei. Für den Spielmannszug in der Besetzung mit Pfeifen, Trommeln, Becken und Lyras wurden Ausbildungsstand und Repertoire in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. Gleiches gilt für die Musikkapelle, die auch eigenständig im Blasmusikverband organisiert ist und regelmäßig an Wertungsspielen der „Oberstufe“ sehr erfolgreich teilnimmt.
Im Jahre 1975 konnte mit der Einstudierung des Großen Zapfenstreichs ein lang gehegter Wunsch der Bürgerwehr Waldburg verwirklicht werden. Diese feierliche militärische Zeremonie gelangt seither bei ganz besonderen Anlässen mit großem Erfolg zur Aufführung. Die Bürgerwehr Waldburg spielt den Großen Zapfenstreich in der überlieferten preußischen Tradition, d.h. in der Abfolge Zapfenstreich der Fußtruppen, Zapfenstreich der berittenen Truppen, Gebet und Nationalhymne. Außer den kirchlichen Feiern oder weltlichen Festen sollen hier die herausragenden Familienfeiern der Fürstenhäuser Waldburg-Wolfegg-Waldsee und Waldburg-Zeil erwähnt werden. Sie bieten in den historischen Schlosshöfen auch den ansprechenden Rahmen für den Großen Zapfenstreich oder eine feierliche Serenade. Stets wurde die Mitwirkung der Bürgerwehr als wertvolle Bereicherung anerkannt.